Katja Duftner

Maskenmenschen | Roller Scheller, 2006, 120x140cm, Öl auf Lwd.

Maskenmenschen | Der Blick, 2006, 160x140cm, Öl auf Lwd.

Maskenmenschen | Die andere Seite, 2005, 100x120cm, Öl auf Lwd.

Maskenmenschen | Verkehrte Welt, 2005, 100x120cm, Öl auf Lwd.

Maskenmenschen | Der Zottler, 2006, 140x120cm, Öl auf Lwd.

Maskenmenschen: Schein oder Wahrheit

Man erinnert sich an Katja Duftners Bilderwelt aus den Jahren 2000/2004 mit vernetzten Themen, Strukturen gegenständlicher und amorpher Art, mit mehrfachen Überlagerungen und mit Übermalungen in prägnanter lokaler Farbigkeit: Labyrinthische Linien in Schwarz überzogen das Netz und manifestierten das Chaos, überdeckten wiederum viele Bereiche, zwängten Vertikales und Horizontales in ein dichtes Geflecht ein. Eine neue Farbebene verschloss das aufgeschichtete Gebilde oder zerstörte es optisch sogar durch die Überlagerungen; sie diente als Fundament der Kommunikation. Tiefgründige Sphären von Idee und Aussage taten sich auf. Manches hat sich in den neuen Arbeiten in der Grundstruktur gehalten, in kleinen Passagen spürt man noch die Tiefe der Vernetzung und Überlagerungen; deutlicher manifestiert sich nun aber das Gegenständliche im optischen Blickfeld. Im Vordergrund steht nun demonstrativ die Figuration. Dies darf nicht Wunder nehmen, ist doch die neue Bilderwelt von Katja Duftner auf eine signifikante Thematik ausgerichtet: auf Masken, Masken aus dem Tiroler Brauchtum, Masken in Orientierung auf die Fotografie von Wolfgang Pfaundler, aber auch Masken im übertragenen Sinn als Metapher für die heutige Medienwelt und deren Auswüchse.

Vordergründig blickt man in den Reigen des Imster Schemenlaufs mit den Schellern und Rollern, den Laggeschellern und Laggerollern, den Kübelemajas, Hexen usw. Hier ergeben sich zweifellos Analogien zu den Schwarzweißfotos von Wolfgang Pfaundler. Doch der Zugang von Katja Duftner zum Themenbereich „Masken“ ist weit gefächert: Schon früh betrachtete sie die zum Teil maskenhaft verlogene Umwelt mit kritischem Blick, um selbstbewusst einen neuen Weg für sich zu erschließen. Sie war konfrontiert mit dem Verhalten von Menschen, die sich hinter Masken verbargen. Dazu gehören Verwandlung, Selbsttäuschung, Verfremdung und Entstellung – nicht nur im Spiel der Mächte in der Fasnachtszeit. Ganz bewusst weitet nun Katja Duftner ihre Projektion auch auf die Ironie und Parodie aus, auch auf die Falschheit in der Medienwelt, in der aktuellen Berichterstattung und in den Talkshows mit den bewusst manipulierten Positionen der Akteure. Maske ist also Veränderung schlechthin. Katja Duftner erinnert sich im historischen Rückblick an die skulpturalen Moriskentänzer für den Bürgersaal in München von Erasmus Grasser oder am Goldenen Dachl in Innsbruck von Niklas Türing, an die Radierungen des Tanzreigens von Israel van Meckenem, ja auch an die gemalten und gezeichneten „Mummereyen“ aus maximilianischer Zeit und schließlich an das lebendige Treiben in der Fasnacht: Alle diese Beispiele erweisen sich als eine mächtige Demonstration des Lebens. Auch die Meister der klassischen Moderne, vor allem die Expressionisten, nahmen verstärkt die sie faszinierende Welt der außereuropäischen Masken und Skulpturen für ihr Werk in Anspruch, um die Existenz der seelischen Erregungen verstärkt kund zu tun.

Die Gemälde Katja Duftners zum Thema Maskenmenschen sind scheinbar leicht lesbar, nur scheinbar, denn hinter den optisch nachvollziehbaren Sujets klingt eine reiche Palette von hintergründigen Gedanken und formalen Dualitäten an. Immer wieder wird eine Zweiteilung der Figuration, mit der Abstraktion und Leben, ja Erotik speziell bei den Frauengestalten visualisiert werden, evident. Ein Hell-Dunkel belebt die Raumwirkung, aber auch die Modellierung der Figuren. Statik steht der Bewegung, maskenhafte Starre in der Physiognomie dem Agieren der Arme entgegen; Augen sind archaisch geweitet, und dennoch erscheint das Antlitz leblos. Katja Duftner nimmt nun bewusst eine für sie neue Seinswelt in das Formen- und Motivgut auf. Vorerst dominiert das Treiben der Fasnacht: Der „Zottler“ präsentiert sich in selbstbewusster Pose, stolz auf sein Federkleid, seine Eitelkeit klingt in den Pfauenfedern an, doch im Hintergrund erscheint im Kontrast ein aufgeputzter Mann in weißer Hose, blauer Krawatte und einer Persiflage von Federhut: Der repräsentativ vorgetragene, pompöse Schein trügt also, das Spiegelbild mit ironisierender Statur klingt im Hintergrund als relativierende Wahrheit mit. Schein und Wahrheit werden evident. Augenscheinlich wird dies beim Motiv „Roller und Scheller“, in dem man die Polarisierung von Statik und Bewegung, von Ernst und Ironie, von Archaik und tänzelnder Karikatur deutlich wahrnimmt. Auch die Motive „Scheller“ und „Hexe“ lassen dieses Spiel fühlbar werden. Masken, Kostüme und tradierte Bewegungen wandeln sich wie selbstverständlich zu Attributen der Menschen. Die Akteure sind eingespannt in einen scheinbar undefinierten Raum mit gewölbtem Boden wie einer unsicheren Basis für das angesagte Spiel, in eine Bühne ohne Kulissen, atmosphärisch magisch. Darin wird etwa in den Motiven „Dame“ oder „Auf der Straße“ ein komödiantisches Agieren augenscheinlich: Es ist ein virulentes Spiel der Farben und der Gestik. Ein illustres Gehabe in der maskenhaften Auffächerung des Antlitzes wird augenscheinlich. Ein traumwandlerisches oder frivoles Tanzen lässt die Figurinen wie in einer Commedia dell’Arte szenisch in Erscheinung treten. Das Spiel mit dem Oberkörper entwächst einem Unterleib, der – kegelförmig gebildet – den Drall der Bewegung bereits in sich trägt. Inszenierung ist hier groß geschrieben. Aber Katja Duftner hält sich nicht nur auf der Ebene des Fasnachtstreibens auf, sondern sinniert in ihrer gewohnten Art nach der Allgemeingültigkeit der Ereignisse: Erinnerungen an die Medienwelt, an geschriebene Szenen, die in der Präsentation nur scheinbar natürlich gespielt, in Wirklichkeit nach dem Drehbuch kalkuliert wirken, werden laut. In zwei Gemälden klingt formal die Bindung an die Vernetzungen früherer Arbeiten an: In grafischer Struktur ist das Attribut der „Dame“ beigegeben, das quallenähnliche, durchnervte Wesen im Motiv „Die andere Seite“ wächst aus dem Untergrund auf; Schichten von Unbewusstem werden spürbar, der konstruktiven Gebärde der weiblichen Figurine steht das schwebende florale Gebilde gegenüber: Eine Sehnsucht nach der „anderen Seite“? In der „Lust“ hingegen klingt das Spiel der inneren Kräfte zwischen Mann und Frau an, beide in verlockernder und erwartender Haltung, ab- und zugewandt, statisch und tänzelnd, mit den Armen verhalten und wild agierend, die kristalline Kopfbedeckung ist beiden eigen, die maskenhaften Teile verdecken das Antlitz und dadurch wird die Botschaft der beiden Figuren etwas verschlüsselt. Auch das Motiv der „Verkehrten Welt“ hat etwas Symbolisches in der von Federn geschuppten Lasche vor einem Auge oder in der scheinbar aufgeklappten Brust mit den Schichten wie eine Gesteinsformation.

Projiziert man nun die bildhaften Statisten auf die lebenden Menschen, so wird die Inszenierung auf das Dasein von isolierten Akteuren sichtbar. Hinter der Draperie der Maske wird die große Vereinsamung spürbar. Der Mensch agiert also nur als Einzelperson, tritt zwar manchmal in einen Diskurs mit dem Gegenüber, im Wesentlichen aber trägt er allein sein Schicksal, auch unter der Last der Maske, auch wenn die Maske eine andere Lebenseinstellung widerspiegelt. Darin entpuppt sich die Maske als eine Chance der Verleugnung der wahren Existenz. Als Betrachter wird man fast in die Position des Voyeurs gedrängt, der mit verschämtem Blick auf eine Bühne blickt: Realität und Scheinwelt scheinen sich zu verschmelzen. Die lyrische, verträumte, ja sinnliche Szenerie wird aber vor allem durch das Kolorit einer anderen Dimension der Realität zugeführt. Vielleicht liegt gerade auch in den Farbtonwerten die Nähe zu den märchenhaften Sinnbildern in der Sagenwelt, welche Katja Duftner ebenso wie die Erlebnisse in der Fasnacht als Grundlage für ihre Kreativität aufgenommen hat. Sie scheut sich nicht, dies einzubekennen. Schließlich schöpft sie aus diesen Erlebnissen und Erfahrungen. Aber mit der Realität im Leben setzte sich Katja Duftner auch in den früheren Arbeiten auseinander. Vielleicht trägt auch das Spiel des Identifikationswechsels – durch die Masken, durch den Malakt – dazu bei, dass sie sich in besonderer Weise nun diesem Betrachten der auf der Bühne agierenden Figurationen widmet. Als medienkritische Künstlerin drängt sich ihr der Vergleich zu den Fernsehserien auf, in denen Wirklichkeit und menschliche Nöte oft in perfekter Verlogenheit als „Wahrheit“ demonstriert werden. Diese Inszenierungen spielt Katja Duftner bravourös dem Betrachter vor, allerdings in einer scheinbar märchenhaften Verzauberung, in einem Reservoir der Gefühle, der Befindlichkeiten, der gedanklichen und seelischen Sphären.

Auch in diesem Sinne reiht sich Katja Duftner in die Reihe der von Masken inspirierten Künstlern ein, sie weiß davon, von den afrikanischen Skulpturen bei den Expressionisten, von den indianischen Bemalungen etwa bei Frank Stella, natürlich auch vom Maskenzug bei Tinguely. Sie kennt auch die Fotos von Wolfgang Pfaundler von den vielen Spielorten der Tiroler Fasnacht, aber auch die Bräuche in Schwaben, Bayern, in der Schweiz oder in Slowenien. Immer wieder sah sie sich von dämonischen wirkenden Motiven und Ereignissen angezogen. Aber sie paart diese Kenntnis auch mit den Erfahrungen einer für ihr Formenvokabular neuen realistischen, lyrisch-märchenhaften Wiedergabe und fühlt sich formal von der neuen „Leipziger Schule“, etwa von Werken Tilo Baumgärtels, angeregt. Ähnlich wie Gerhard Richter zwischen Abstraktion, Fotografie und Realität wechselt, wuchs für Katja Duftner eine für sie nun faszinierende Facette einer neuen Sichtweise von Realität, Abstraktion und Fotografie. Parallel zum Realismus von Wolfgang Pfaundlers Fotografie gewinnen ihre Gemälde eine neue Wertigkeit, eine Bereicherung und eine schier autarke Selbstverständlichkeit im Figurativen und Malerischen. Im übertragenen Sinn möchte man die Bilderwelt von Katja Duftner mit ihrem Zitat umschreiben: „So ähnlich wie die Moriskentänzer am Goldenen Dachl in Innsbruck sich mit grotesken und exaltierten Sprüngen und Tanzschritten um die umworbene Dame mit dem Siegespreis bewegen, so tanzen wir heute mit unseren eigenen Masken um unser persönliches Objekt der Begierde. Es gewinnt sowohl damals wie heute derjenige, der sich zum größten Narren macht.“ – Verstecken wir uns also nicht hinter unseren Masken, die wir im Alltag nur all zu gerne zu tragen geneigt sind.

Gert Ammann


Katja Duftner's paintings of masked people seem easy to decipher, but they only seem to be because their apparently comprehensible subject matter resounds with a rich variety of hidden thoughts and double appearances. (…) Katja Duftner's approach to 'masks' is comprehensive. From early on she critically observed what mask-like dishonesty there was around her, only to go out and confidently develop her own way of doing things. She found herself confronted with the behaviour of people hiding behind masks, witnessed transformation, self-deception, alienation and disfiguration – and that not only in the traditional carnival plays with their symbolic clash of forces. Starting from there, Duftner deliberately widens her projection to include irony and parody and she also refers to the dishonesty of the media ranging from news coverage to talk shows with their intentionally manipulated positions of guests. The mask stands for change as such.


Prof. Dr. Gert Ammann in the exhibition catalogue 'MaskenMenschen' (masked people), February 2007. The exhibition at the Innsbrucker Volkskunstmuseum presented photographs of the traditional Tyrol carnival made by Wolfgang Pfaundler from the 1960s to 80s alongside paintings by Katja Duftner.